Sitzung Einwohnerrat zur Teiländerung Nutzungsplanung Torfeld Süd

Votum für die SP-Fraktion

Traktandum 3 (Teiländerung Nutzungsplanung Torfeld Süd, Stadion 2017)

Sprecher: Nicola Müller

Geschätzter Herr Einwohnerratspräsident, geschätzte Stadträtinnen und Stadträte, geschätzter Herr Einwohnerratspräsident, geschätzte Stadträtinnen und Stadträte, liebe Kolleginnen und Kollegen

Wir befinden heute über eine Teilrevision der Bau- und Nutzungsordnung. BNO-Revisionen sind immer heikle, bisweilen emotionale Geschäfte. Das wissen wir spätestens seit der gerade erfolgten Gesamtrevision. Das liegt daran, dass Menschen durch solche Änderung regelmässig stark in ihrem Alltag betroffen werden. Im vorliegenden Geschäft akzentuiert sich die Sache, weil die BNO-Revision den Bau eines Fussballstadions ermöglichen soll, das vielen Menschen wichtig ist, die nicht in unmittelbarer Umgebung wohnen und von den sonstigen Auswirkungen der Revision nicht gross betroffen sein werden. Die Aufgabe für uns Einwohnerratsmitglieder ist aber eine sorgfältige Abwägung aller Interessen und eine Entscheidfindung im Sinne und zum Wohle der ganzen Stadt Aarau. So haben wir es zumindest alle bei unserer Inpflichtnahme gelobt. Das muss unsere oberste Maxime sein, nichts anderes. Auch kein Parteibuch.

Wir tragen also eine grosse Verantwortung. Tatsächlich ist unser Gestaltungsspielraum aber klein. Die BNO, für die letztlich wir zuständig sind, soll nur die Grundzüge regeln. Wirklich Fleisch am Knochen ist beim Gestaltungsplan und der liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Stadtrats. Wollen wir etwas am Gestaltungsplan ändern, müssen wir dies auf BNO-Stufe und damit nicht stufengerecht machen. Das hat aber Konsequenzen. Denn jede noch so kleine Änderung, die wir vornehmen, bedeutet eine Neuauflage der BNO und damit eine weitere Verzögerung des Projekts um mindestens ein Jahr. Dies muss man auch immer im Blick haben. Das Zusammentreffen von viel Verantwortung und nur beschränkter Einflussmöglichkeit macht die Entscheidfindung bei diesem Geschäft nicht einfacher. 

Die SP-Fraktion hat sich ihren Entscheid daher auch nicht einfach gemacht. Wir haben verschiedene Aspekte breit und vertieft und lange diskutiert, verschiedene Interessen gegeneinander abgewogen. Dabei sind wir uns nicht immer einig geworden. Gerne möchte ich die wichtigsten Themengebiete kurz streifen.

Parkplatzsituation

Im heutigen Entwurf des Gestaltungsplans ist vorgesehen, dass die Wohnnutzung im Torfeld Süd autoreduziert zu realisieren ist. Konkret soll eine Reduktion der Parkplatzzahl um 40% erfolgen. Das heisst, nur 60% der Wohnungen erhalten einen eigenen Parkplatz. Von Seiten der Grünen wird diese Reduktion als gesellschaftspolitisch mutlos, gar verantwortungslos bezeichnet. Gefordert wird eine Reduktion um 75% statt 40%. Dies angesichts der zentralen Lage und der guten öV-Verbindung des Quartiers und auch deshalb, weil das Gebiet schon jetzt verkehrsmässig an seine Kapazitätsgrenzen gekommen sei. Ein kleiner Teil unserer Fraktion hat Sympathien mit dem Antrag der Grünen. Die Forderung entspricht einer Verkehrspolitik, wie wir sie uns grundsätzlich vorstellen. Der grossmehrheitliche Teil der Fraktion anerkennt aber auch die Relevanz einer angemessenen Anzahl Parkplätze für die Investorensuche und damit für die Realisierbarkeit des Projekts. Als völlig unverständlich, ja gar treuwidrig mutet aber an, dass die HRS in dieser Angelegenheit selbst eine Einwendung gemacht hat und nun eine Reduktion von nur 30% fordert. Das ist schon starker Tobak. Auch angesichts der Tatsache, dass sie damit im Bereich Mietwohnungen eine Besserstellung zum gleich benachbarten Aeschbachquartier für sich moniert. Dafür gibt es klarer Weise keinen Anlass. Entsprechend fordern wir die Verantwortlichen der HRS auf, in dieser Sache nun Haltung zu zeigen und die Einwendung zurückzuziehen. Ansonsten muss man schon wirklich Zweifel daran kriegen, ob es der HRS mit der Umsetzung des Projekts tatsächlich ernst ist. Ein solches Vorgehen grenzt schon an Selbstsabotage. Vom Stadtrat erwarten wir in jedem Fall, dass er sich in dieser Angelegenheit hart und kompromisslos bleibt.

Passarelle

Die geplante Passarelle soll das Torfeld Süd mit dem Torfeld Nord verbinden. Dass damals eine Passarelle ohne Velorampe geplant wurde, erscheint heute schlicht unverständlich. Das entspricht in keiner Weise der heutigen Idee einer fortschrittlichen Verkehrspolitik. Schliesslich wollen wir den Langsamverkehr ja fördern; das steht seit letztem Jahr im Übrigen auch so in unserer Gemeindeordnung. Der geplante Velolift und Führungsrinnen erscheinen uns eher als impraktikable Scheinlösungen. Ein dichtes, funktionierendes Velonetz wird so jedenfalls nicht geschaffen. Den diesbezüglichen Antrag der Grünen würden wir daher vor der Hand mehrheitlich unterstützen. Wir begrüssen es aber sehr, dass sich der Stadtrat in dieser Sache offenbar doch gesprächsbereit zeigt und sind gespannt auf das Ergebnis. Offensichtlich ist eine Umsetzung einer velofreundlichen Passarelle, nun halt mit einer 12-%-Steigung, doch nicht völlig abwegig.

Grün- und Dachflächen

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frage nach den Grünflächen. Es ist unbestritten, dass genügend Grünflächen entscheidend sind für ein gutes Quartier- und Stadtklima. Dass man keine Fassadenbegrünung im Projekt aufgenommen hat, erachtet ein Teil unserer Fraktion deshalb als verpasste Chance und unterstützt daher den diesbezüglichen Antrag der Grünen. Ein anderer Teil der Fraktion anerkennt zwar die Wichtigkeit des Grünraums, vertraut aber auf die Aussage des Stadtrats, dass die Fassadenbegrünung beim vorliegenden Projekt technisch nicht machbar ist. Deshalb enthalten sich einige Faktionsmitglieder bei diesem Antrag. Hinsichtlich der übrigen Begrünung begrüsst unsere Fraktion die Bestrebungen des Stadtrats, doch noch Verbesserungen zu erreichen. Mit Blick darauf werden wir uns beim entsprechenden Antrag der Grünen vor der Hand mehrheitlich enthalten. Ein Teil der Fraktion unterstützt allerdings die Teilrückweisung. Ich denke aber, das konkrete Stimmresultat dürfte letztlich vom Ergebnis abhängen, das der Stadtrat heute präsentiert. Festzuhalten bleibt aber, dass der immer wieder angestellte Vergleich zwischen dem geplanten Projekt und der Telli insbesondere in Bezug auf die Grün- und Freiflächen massiv hinkt. 

Im Zusammenhang mit der Frage nach den Grünflächen steht auch diejenige nach der Nutzung der Dachflächen. Heute ist angedacht, dass zumindest das Dach des Zwischenbaus im Rahmen eines Dachgratens genutzt wird, möglicherweise in Kombination mit einer Solarnutzung. Ausserdem soll das Stadiondach zur Energiegewinnung genutzt werden. Entsprechende Gespräche laufen offenbar bereits mit der Eniwa. Das ist positiv zu werten. Wir können zudem akzeptieren, dass eine Begrünung auf den Hochhausdächern aufgrund der Windverhältnisse schwierig ist. Dass aber die Dächer nicht mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden, erscheint uns wenig nachvollziehbar. Wir möchten den Stadtrat dazu auffordern, diese Haltung noch einmal zu überdenken und die HRS in diesem Punkt stärker in die Pflicht zu nehmen. Ein Teil der Fraktion stützt zudem den grünen Antrag für eine verbindliche Regelung in der BNO. 

Soziale Durchmischung

Aus sozialdemokratischer Sicht auch besonders wichtig ist die Frage, ob mit dem Projekt eine gute soziale Durchmischung erreicht werden kann. Um dies zu gewährleisten, hat unsere Partei immer verlangt, dass 30% der geplanten Wohnungen von genossenschaftlichen Wohnbauträgern erstellt und betrieben werden. Als Ergebnis haben wir jetzt heute, dass rund 20%, das entspricht etwa einem Hochhaus, für gemeinnützigen Wohnungsbau und/oder ein Engagement der öffentlichen Hand vorreserviert ist. Das verbuchen wir als Erfolg. Wir erwarten aber auch, dass das auch wirklich so umgesetzt wird. Für einen Teil der Fraktion ist in diesem Zusammenhang das Vorpreschen der Ortsbürgergemeinde wenig verständlich. Primär sollte ein Engagement eines Wohnbauträgers ins Auge gefasst werden, der der Kostenmiete verpflichtet ist. Für einen anderen Teil der Fraktion ist das Engagement der Ortsbürgergemeinde hingegen zu begrüssen. Insbesondere ein gemeinschaftliches Vorgehen mit Wohnbauträgern erscheint sinnvoll. 

Im Kontext eines funktionierenden Zusammenlebens ist auch zu beachten, dass im neuen Quartier ein Gemeinschaftszentrum sowie Platz für eine Kita und einen Kindergarten vorhanden ist. Es freut uns sehr, dass diese Aspekte in den Gestaltungsplan aufgenommen wurden.

FC Aarau Frauen

In unserer Fraktion zu reden gab zudem die Frage, ob auch die FC Aarau Frauen künftig im Stadion ihren Platz haben. Bei einem Bau, der zu grossen Teilen durch die öffentliche Hand finanziert wird, sollte das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Das Zugeständnis, wonach die FCA Frauen das Stadion zu «kostendeckenden Konditionen» mitnutzen können, reicht uns aber nicht. Wir kennen diese Konditionen heute nicht, zweifeln aber stark daran, dass die FCA Frauen die finanziellen Mittel dafür aufbringen können. Wir erwarten deshalb seitens der Stadt ein weitergehendes Zugeständnis. Wir erwarten, dass diesem Aspekt bei der Erarbeitung des Betriebsreglements hohes Gewicht beigemessen wird oder dass sich die Stadt bereit erklärt, die FCA Frauen gegebenenfalls durch Fördergelder zu unterstützen. Unsere Forderung ist aber nichts, was mit einer BNO oder einem Gestaltungsplan geregelt werden könnte. Wir möchten dieses Anliegen aber bereits heute deponiert haben und werden in der Sache den Finger draufhalten.

Würdigung

Ich komme bereits zum Schluss. Ein Teil unserer Fraktion steht dem vorliegenden Projekt ausgesprochen kritisch gegenüber. Kritisiert wird dabei hauptsächlich die städtebauliche Qualität des Projekts. Es bestehen grosse Zweifel, ob mit dem Projekt das Ziel einer guten sozialen Durchmischung erreicht werden kann. Es besteht die Gefahr, dass ein Schlafquartier geschaffen wird, in dem sich die Menschen selten bis nie begegnen. Ausserdem werden die Grün- und Freiflächen als zu knapp erachtet, als dass sie eine gute Wohnqualität erlauben würden. Ebenfalls geteilt werden die Standpunkte, die in den Anträgen der Grünen zum Ausdruck gebracht werden. Aus diesen Gründen wird dieser Teil der Fraktion das vorliegende Geschäft ablehnen.

Der andere Teil der Fraktion, eine knappe Mehrheit, wird das Projekt allerdings unterstützen, obwohl uns die genannten Aspekte ebenfalls wichtig sind. Wir sind aber bereit, im Gesamtkontext des Projekts Abstriche in Kauf zu nehmen. Vielen unserer Forderungen wurde zudem Rechnung getragen. Verdichtetes Bauen ist ganz in unserem Sinn, auch wenn wir uns natürlich mehr Frei- und Grünflächen und weniger Parkplätze gewünscht hätten. Dass zudem ein GZ sowie Kindergärten und eine Kita auf dem Areal Platz haben sollen, finden wir richtig und wichtig. Wir glauben, dass das Projekt auf diese Weise trotz gewisser Mängel eine genügende bis gute Wohnqualität vorweisen kann. Man kann zudem Fussball-Fan sein oder nicht. Aber man muss einfach anerkennen, dass es eine grosse Anspruchsgruppe gibt, der es wichtig ist, ein Fussballstaion in Aarau zu haben. Eine Politik «für alle statt für wenige» muss auch dieser Tatsache Beachtung schenken. Ebenfalls in die Waagschale gehört für uns, dass im Rahmen des Kaufvertrags die Stadionparzelle ins Eigentum der öffentlichen Hand, konkret der Ortsbürgergemeinde, übergeht. Das ist rund die Hälfte des ganzen Quartiers und das wird einmal unsere Grosskinder freuen.

Weitgehende Einigkeit besteht in der Fraktion hinsichtlich der Leistung des Stadtrats. Er hat in dieser Sache hart verhandelt und viel für Aarau herausholen können. Das anerkennen wir ausdrücklich und dafür danken wir dem Stadtrat. Vor allem hat er das geschafft, was der alte Stadtrat leider in der ganzen Stadiongeschichte verpasst hat. Er hat nämlich erstmals weitgehende Transparenz, auch und besonders hinsichtlich der Kosten, geschaffen und ermöglicht uns so einen Entscheid, der auf Fakten basiert. 

Aus sozialdemokratischer Sicht kann man für oder gegen dieses Projekt sein, aus Sicht eines Aarauers oder einer Aarauerin ebenfalls. Es gibt gute Gründe, die für das Projekt sprechen und ebenso gute, die dagegensprechen. Es kommt darauf an, wie man die Güterabwägung macht. Dass aber alle, die sich gegen dieses Projekts aussprechen, den anderen einfach das Stadion nicht gönnen, ist natürlich völliger Humbug. So einfach ist es nicht und so einfach dürfen wir es uns auch nicht machen. Auch nicht beim Abstimmungskampf. Unterschiedlicher Meinung zu sein, mag teilweise mühsam sein, gehört aber zu einer funktionierenden Demokratie. Das sollten wir nicht vergessen und einander mit Anstand und Respekt begegnen, unabhängig davon welche Meinung wir vertreten. 




Besten Dank für die Aufmerksamkeit.